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Di. 18.08.2020

Wertvolle medizinische Alternative im Dornröschenschlaf

Unterwegs auf leisen Sohlen

Cannabis vs Pills

 

Cannabis als wirksames Heilmittel in Südtirol immer noch verschmäht

 

Mangelhafte Kenntnisse über Behandlungsmethoden mit Medizinischem Cannabis unter Südtirols Ärzten der Hauptgrund für den nur zögerlichen Eingang der medizinischen Alternative Cannabis in den Behandlungsalltag. Ob berauschend oder nicht, THC oder CBD – auf alle Fälle sind es drei Buchstaben, die es in sich haben. Cannabis sollte als Medikament für chronisch schwerkranke Patienten selbstverständlich zugänglich sein, so ist es im Handlungsappell, erstellt von Südtiroler Ärzten und Experten aus dem Ausland, festgeschrieben. Der Cannabis Social Club mahnt nun endlich Taten statt Worte sprechen zu lassen.

 

Klare Botschaft

Cannabis ist eine wertvolle medizinische Alternative, besonders in der Schmerztherapie, in der Neurologie, in der Onkologie und infolgedessen in der Palliativmedizin. Dies das Ergebnis der Tagung „Medizinisches Cannabis: mehr Lebensqualität für Patienten der Palliativmedizin“ Ende vergangenen Jahres in Bozen. Daraus resultierend wurde ein Handlungsappell an die Südtiroler Gesellschaft, an die Politik, Verwaltung und an die Spitzen des Sanitätsbetriebes formuliert.

Der Vorteil von Cannabis gegenüber herkömmlichen Medikamenten liegt in der hohen medizinischen Effizienz und in den geringfügigen Nebenwirkungen – wichtig in einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der ein Ansteigen von chronischen Erkrankungen bereits bei jungen Menschen zu beobachten ist.

 

Mangelhafte Kenntnisse unter Ärzten

Einer der seit Jahren schon Cannabis verschreibt ist der Meraner Schmerztherapeut und Anästhesist Dr. Roberto Pittini. Als Wegbegleiter und Leiter des wissenschaftlichen Komitees des Cannabis Social Club Bozen haben wir ihn wie auch die anderen beiden Südtiroler Ärzte und Mitunterzeichner des Handlungsappells, den Primar der Abteilung Hospice und Palliativbetreuung am Krankenhaus Bozen, Dr. Massimo Bernardo und den Primar der Neurologie am Krankenhaus Bozen, Dr. Francesco Teatini, gefragt, welche Schritte seitdem unternommen wurden.

In der Abteilung Hospice und Palliativbetreuung am Krankenhaus Bozen wird Cannabis erfolgreich und gern eingesetzt. Auch während des Lockdowns aufgrund des Covid19-Notstandes konnten die Patienten mit Cannabis-Medikamenten behandelt werden, neue Patienten kamen hinzu.

Was Primar Dr. Bernardo bemängelt – und das nicht erst seit der Coronakrise – ist der Umstand, dass viele Ärzte schlichtweg die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Medizinischem Cannabis nicht kennen. Den Patienten, die großteils von anderen Patienten von der guten Wirkung von Cannabis-Präparaten erfahren, bleibt ein Rezept damit oft verwehrt.

Es scheint nicht überall so gut mit der Ausbildung bestellt zu sein wie im Dienst für Palliativmedizin am Krankenhaus in Bozen, wo der Einsatz von Medizinischem Cannabis regelmäßig auf dem Fortbildungsprogramm für das Gesundheitspersonal steht.

 

Mutige Schritte auch in Südtirol

Der Meraner Schmerztherapeut Dr. Roberto Pittini berichtet von einem Altersheim in seiner Heimatstadt, das Cannabis-Extrakte in die Therapiepläne der Heimbewohner aufgenommen hat. Dabei kommt vorwiegend CBD, also die nicht-psychoaktive Komponente der Hanfpflanze zum Einsatz – mit hervorragenden und überraschenden Ergebnissen – für die Patienten wie für die Betreuer.

Dr. Roberto Pittini unterstreicht die Bedeutung solcher positiven Erfahrungen für die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft und sieht den besagten Handlungsappell als ersten und grundlegenden Schritt in die richtige Richtung. Schade nur, so Dr. Pittini, dass die guten Vorsätze und Ziele von der Coronakrise überschattet und in den Hintergrund gedrängt wurden.

Ganz so vergessen wurde „Cannabis si medicine“, das Leitmotiv sozusagen des Cannabis Social Club Bozen, nun nicht. Unter der Federführung des Präsidenten der Patientenvereinigung, Peter Grünfelder, wurde bei den Südtiroler Ärzten, die an der genannten Fachtagung im November dabei waren, nachgehakt. Welche Taten sind den Worten des Handlungsappells konkret gefolgt? Wie sieht es aus mit der Bereitstellung dieser medizinischen Alternative für die Patienten? Aber auch selbst ist Grünfelder mit dem Cannabis Social Club erneut aktiv geworden.

Die ganzen letzten Monate und vor allem während des größten Lockdowns, war der Verein als Ansprechpartner für viele Hilfesuchende, für Patienten mit und ohne Therapieplan, eine wichtige Anlaufstelle. Für Präsident Grünfelder ein Zeichen, dass mit Sensibilisierung und Information der Bevölkerung weiterzumachen ist.

 

Berührungsängste versus medizinischen Nutzen

Es besteht in allen Bevölkerungsschichten eine große Berührungsangst. Das hält Patienten davon ab, den medizinischen Nutzen von Cannabis überhaupt in Betracht zu ziehen. Obwohl Cannabis ein altes Naturheilmittel ist, das in Vergangenheit selbstverständlich in allen Kulturen der Welt über Jahrtausende hinweg eingesetzt wurde, ist es heute meistens als Droge stigmatisiert.
Diese Sätze wiederholt der Präsident der Patientenvereinigung Peter Grünfelder fast schon gebetsmühlenartig seit Jahren.
Und er setzt noch einen drauf: Auch die Fachwelt verweigert sich dem Thema und Politik und Verwaltung zeigen wenig Willen diese medizinische Alternative für Patienten verfügbarer zu machen.
Grünfelder setzt deshalb unermüdlich auf Aufklärung und Information, auf Dialog und Austausch. Und so startet mit September eine Veranstaltungsreihe mit verschiedenen Fachtagungen zum Thema Einsatz von Cannabis bei den verschiedensten Krankheitsbildern und Patientengruppen.

 

Wertvolle medizinische Alternative im Dornröschenschlaf

Dass Cannabis in Südtirols Arztpraxen “auf leisen Sohlen unterwegs ist“ veranschaulichen folgende Zahlen, die von der Abteilung Gesundheit des Landes zur Verfügung gestellt wurden.

Cannabis Verschreibungen in Südtirol 2019

Die Übersicht über die Cannabis-Verschreibungen zu Lasten des Gesundheitsdienstes im Jahre 2019 offenbaren eine Situation, welche der dem Handlungsappell zugrunde liegenden Aussage „Cannabis ist eine wertvolle medizinische Alternative“ keineswegs Rechnung trägt.
Der Kostenvergleich zwischen herkömmlicher
Schmerztherapien und Cannabis-Therapien führt erstaunliche Zahlen zutage. Während herkömmliche Medikamente wie entzündungshemmende und antirheumatischen Medikamente, Opiate, Analgetika und Antipyretika mit 3.640.000 € zu Buche schlagen, wurden für Medizinisches Cannabis in der Schmerztherapie gerade mal 211.270 € ausgegeben, das sind lediglich bescheidene 5,48 % der Gesamtausgaben.

 

 

 

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